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Prag: (Fortsetzung)
Einheimische Touristen statt Jetsetter?
Rosta Novaks Augen leuchten. Seine avantgardischtische Zirkustruppe Cirk La Putyka wird bald, endlich, wieder vor Prager Publikum spielen. Zuerst aber gilt es, die Generalprobe zu meistern.
Tschechien Prag sucht eine neue Richtung, wenn der Tourismus wieder anläuft
Rosta Novak wünscht sich eine Rückkehr zur Normalität
Das letzte Jahr hat der Cirk La Putyka mit neuen, pandemiekonformen Formaten experimentiert. Die Artisten haben Doppeldeckerbusse zu Bühnen umfunktioniert, sind hinter Schaufenstern und in Krankenhäusern aufgetreten. Aber nichts davon ist so aufregend und lukrativ, wie vor einem ausverkauften Publikum zu spielen, sagt Zirkusdirektor Novak.
Der Präsident des tschechischen Handels- und Tourismusverbands, Tomáš Prouza, will mehr Einheimische dazu animieren, in Prag Urlaub zu machen. So investierte die Stadt große Geldsummen, um inländische Touristen anzulocken. Dazu bot sie etwa Gutscheine für Sehenswürdigkeiten und Kulturveranstaltungen an. Im Nahverkehr, der Gastronomie- und Brauereibranche werden auch weitere Gratisleistungen angeboten, um inländische Touristen zu ködern.
Tourismus neu denken
Vor Ausbruch der Coronavirus-Pandemie strömten derart viele Touristen nach Prag, dass nicht wenige Einheimische dies als Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität wahrnahmen. Stark alkoholisierte Besuchermassen ließen einen Aufenthalt in der Prager Innenstadt zum Spießrutenlauf werden.
Zugleich hat die Tourismusindustrie den städtischen Wohnungsmangel verschärft, da zunehmend Mietwohnungen zu Ferienappartements umgewidmet und über Plattformen wie Airbnb angeboten werden. Geschäfte des täglichen Bedarfs sind geschmacklosen Souvenirshops, überteuerten Gemischtwarenläden und Touristenbars gewichen.
Tatsächlich polarisiert der Massentourismus so sehr, dass Tschechiens populistischer Premier Andrej Babis unlängst verkündete: "Wir wollen die Bars nicht wiedereröffnen. Wir wollen nicht, dass europäische Ausländer zum Trinken herkommen." Bietet die pandemiebedingte Ruhephase also eine Chance, den Stadttourismus neu zu denken?
"Die Pandemie erlaubt uns, einen nachhaltigeren Tourismus zu etablieren," sagt Stadträtin Hana Trestikova. Prag sei dabei, Sehenswürdigkeiten jenseits des Altstadtkerns zu fördern. Zudem wolle man "Touristen anlocken, die sich für Geschichte, Architektur und Kultur begeistern, statt für billigen Alkohol."
Stadträtin Hana Trestikova will den Tourismus neu denken
Seit einigen Jahren bemüht sich die Stadtverwaltung beispielsweise darum, den Wohnungsmarkt zu entspannen. Tatsächlich hat die Pandemie dazu geführt, dass Ferienwohnungen im Stadtkern nun wieder zur regulären Langzeitmiete und niedrigerem Mietzins angeboten werden. Die Stadtverwaltung will diese Abkühlung des Mietmarktes bewahren, indem sie Plattformen wie Airbnb stärker reguliert.
Prag will außerdem strengere Auflagen für touristische Geschäfte und Dienstleistungen einführen. Als Riesentiere verkleide Straßenmusiker sollen sich von den prachtvollen Straßen und Plätzen der Stadt fernhalten, um nicht die Ästhetik der Gotik- und Renaissancearchitektur zu stören. Ähnliches gilt für aufdringliche Werbeschilder, die nun weniger Platz im öffentlichen Raum einnehmen sollen.
Gemeinsam gegen Massentourismus?
Verbandsvertreter Tomáš Prouza ist mit Maßnahmen einverstanden, die den exzessiven Massentourismus beschränken. Gleichzeitig warnt er davor, in das andere Extrem umzuschlagen.
Statt Airbnb "platt" zumachen, solle die Stadt mit Tourismusplattformen kooperieren. Denn die Pandemie, sagt Prouza, habe das Reisen verändert.
"Studien zeigen, dass die Menschen jetzt kleinere Feriendomizile mit Selbstverpflegung vorziehen," so Prouza. Vermietungsplattformen könnten eingespannt werden, um dem Massentourismus entgegenzuwirken, etwa indem sie Touristen auf das gesamte Stadtgebiet verteilen.
Viele Prager Geschäftsleute und Kulturtreibende jedoch sind froh, dass wieder etwas Normalität einkehrt. Von Restriktionen haben sie erstmal genug. Zirkusdirektor Novak fürchtet, dass im Herbst neue, pandemiebedingte Einschränkungen kommen könnten.
Düstere Aussichten. "Normalerweise planen wir Auftritte bis zu vier Jahre im Voraus," sagt Novak. "Aber aktuell wissen wir nicht einmal, was uns in vier Monaten erwartet."